Montagsmaler

Meine Atemmaske hat sich nun in meinem Leben etabliert. Ich bekomme keine Beklemmungen mehr, wenn ich sie aufsetze, erschrecke nicht mehr, wenn der erste Puster losgeht und bleibe auch ruhig, wenn es nicht sofort klappt, weil irgendwas undicht ist.

 

Zur Belohnung kann ich nun wieder problemlos aufrecht sitzen ohne unter Atemnot zu leiden. Also, wenn ich sie trage. Sitze ich ohne rum, ist das Problem natürlich das Gleiche. Wobei ich nach dem Tragen zumindest noch eine Zeitlang davon zehren kann.

Was ich mit Maske nicht kann ist 

reden.

Man muss es sich so vorstellen, dass in dem Moment, wo ich den Mund öffne um was von mir zu geben, der Luftzug in meinen Mund pustet und ich es nicht schaffe, einen Ton zu artikulieren. Ich hab dann geblähte Back... Äh... Wangen und dat isset.

Die Meinungen darüber sind geteilt. Dass mal Ruhe herrscht, mag der Ein oder Andere vielleicht sogar begrüßen. Ich finde es doof. Wie sehr ich Sprache brauche, fällt mir dann auf. "Mal eben" der Assistentin was sagen, die Familie rumkommandieren, die Hunde sortieren... Is nich.

Und spätestens wenn ich was sagen muss (in meiner Definition jedenfalls 😉), wirds für alle interessant.

Neben einem verschlossenen Mund geht durch die Maske auch eine Menge Mimik flöten. Und mit grade mal zwei relativ gut funktionierenden Unterarmen und Fingern, die es nicht schaffen, eine 5 zu zeigen, weil sie ausgestreckt so krumm sind wie die der Hexe von Hänsel und Gretel, dirigierste kein Symphonie-Konzert.

Will ich auf was zeigen, sieht das genauso aus, als würde ich meine Beine oder die Armlehne des Rollis meinen. 

Fragen wie "Beine hoch?", "Drücken die?" "Gerät aus?" "Zieht die Maske Luft?" folgen auf eine Handbewegung, die eigentlich verdeutlichen soll, dass Cindy zurück in ihr Körbchen geschickt werden möge. Da kannste schon verzweifeln. Auf beiden Seiten.

Ich habe deshalb keine Winkeärmchen, weil ich keine Winkeärmchen habe.

Sitze ich gemütlich im Rolli, ist WhatsApp mein Freund. Da werde ich flott los, was ich loswerden möchte. Um auf mich aufmerksam zu machen, drücke ich kurz die Rolli-Hupe (Die grade mal piept und den Namen Hupe überhaupt nicht verdient. Aber Rolli-Piepe is auch doof.)

 

Sind meine Adressaten nicht mit mir im Raum, drücke ich die Funk-Klingel, die mich stets bei auffer Maske begleitet und kann mir so "Gehör" verschaffen.

Bin ich allerdings auf einem anderen Thron wirds spannend. Da is nix mit WhatsApp. Da brauch ich die Hände zum festhalten. Und Gott sei Dank die Maske nicht immer. Nur wenn's mal wieder länger dauert. 🙄

So geschehen gestern Abend. Ich wurde rüber gesetzt und die Maske angeschlossen. Es konnte losgehen.

Ah. Nein. Ich musste noch was nach vorne mit dem Oberkörper.

Also geklingelt. Die Herren, die wenige Sekunden vorher die Örtlichkeit verlassen hatten, betraten sie wieder fragenden Blickes.

Ich zeigte auf meinen Oberkörper und nach vorne. "Willst Du nach vorne?" Nicken.

Thomas zog mich vor. Ich hielt mich fest. Sie hätten nun eigentlich wieder gehen können, aber das wussten sie ja nicht. Und die passende Frage verließ ihre Lippen leider auch nicht.

So winkte ich "epileptisch", wie Thompson es so treffend beschreibt, in Richtung Tür, haha. Es folgten Fragen wie "Ausstellen?" "Maske aus?" "Läuft die Nase?" "Brauchst Du Papier?", die ich alle kopfschüttelnd beantwortete.

Als die Frage kam "Sollen wir nochmal raus?" musste ich auch da den Kopf schütteln, denn mittlerweile war ich winkend und fuchtelnd wieder zurück gefallen und lehnte nun wieder am Klodeckel. 

Auf beiden Seiten machte sich fetter Frust breit. Mir war das Müssen vergangen und ich sah ein, dass ich bei meinen gefrusteten Activity-Partnern kaum noch Punkte landen konnte. Wie sollte ich ihnen jetzt noch klar machen, dass ich wieder ERST nach vorne wollte und sie DANN gehen könnten?

So ergab ich mich meinem Schicksal und ließ mich umziehen. Was wir der Einfachheit halber auch immer auf dem Klo erledigen. Die eine Hose ist eh unten, da kann ich auch direkt in die Pyjamahose wechseln.

Einzig mein Pustegerät ließ sich nicht beirren und pustete fleißig weiter. Dennoch stand ich kurz vorm Hyperventilieren, aus Verzweiflung darüber, dass sie es nicht schnallten.

Vor lauter Ärger und Frust hätten sie mich fast noch angedockt rüber in den Rolli gehoben, was mich wieder zum Zappeln brachte. Und durch die ganze Situation auch erst spät verstanden wurde.

Als ich dann, befreit von der Maske, im Rolli gelandet war, schauten sich drei zornige Gesichter gegenseitig an.

Während ich mich erstmal aufs böse gucken und atmen beschränken musste, waren die Männer eloquenter.

Unisono ertönte die Frage, wie sie bei dem Gezappel noch rausfinden sollen was ich überhaupt will.

"Ich komm mir vor wie bei den Montagsmalern!", brach es aus Thompson heraus, was tatsächlich zum Tag passte, auch wenn ich weder "Hund, Katze, Maus" noch "Haus, Auto" gezeichnet hatte. Übrigens auch nicht pantomimisch dargestellt. Aber auch das verkniff ich mir zu erwähnen. Was für ein Mist, wenn Zunge und Atem ein Eigenleben führen. All die spitzen Bemerkungen dahin. Schad.

Ich wollte aber wenigstens auflösen was mein Gezappel bedeuten sollte.

Das habe ich dann auch getan. Aber auch mit dem neu erworbenen Wissen kam es ihnen nicht nachvollziehbarer vor.

 

Das macht nochmal klarer, warum Jackson und ich immer bei Activity gewonnen haben. Wir brauchten uns fast nur anzusehen und hatten den gesuchten Begriff. Daran musste Thompson wohl auch denken, als er sagte: "Am besten gehste das nächste Mal mit Jacqueline aufs Klo wenn Du die Maske trägst."

 

...Heute haben wir uns übrigens alle wieder lieb. 😉




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