Leben und Sterben

Mal wieder war der Auslöser für diesen Beitrag eine Doku. Mit eben diesem Titel. Aus der Reihe "7 Tage". Hier begleitet die schwangere Domenica zwei Menschen, die am Ende ihres Lebens stehen. Sie erwartet das Leben und die beiden erwarten den Tod. Eine sehr gut gemachte Doku.

Hier ist auch Thema, warum die Menschen so ungern über den Tod sprechen. Etwas, das ich mich auch frage. Warum ist das so? Ich spreche in der Familie nicht gerne drüber, weil ich sie nicht "mit der Nase drauf stoßen" möchte. Die Möglichkeit des Sterbens wird realer, wenn man drüber spricht. Witzig, als würde man, wenn man es lässt, nicht sterben.

Aber: Irgendwann ist Schluss.

 

Wenn ich solche Sätze nicht, wie hier, aufschreibe, sondern ausspreche, höre ich oft: "Ja, aber davon biste noch weit entfernt." Egal wie weit entfernt ich davon bin (woher weiß der/die eigentlich, dass es noch weit ist?), irgendwann bin ich dran.

Öhem... Ihr übrigens auch.

 

Schaue ich solche Dokus, kann ich die sachliche Seite des Sterbens beleuchten. Und das unterscheidet mich von vielen anderen Menschen. Ich kann mich damit beschäftigen, wie ich mich mit dem Kauf eines neuen Paars Schuhen beschäftigen würde.

Drüber nachdenken, wie ich gerne mal sterben würde, kann mir meine Trauerfeier vorstellen, die Gäste, den Ort, überlege, welche Art von Grab mir am besten gefallen würde. Frage mich, ob es sinnig ist, vielleicht schon mal alles zu planen und denke dann, die erschlagen mich postum noch mal, wenn ich alles an mich reiße. Hihi. So geht es hin und her. Zu einer Entscheidung bin ich noch nicht gekommen.

Vielleicht hinterlasse ich einen Trauer->Leitfaden: "Klär-Bärs-Trauerfeier-to-dos". Wer weiß. ;-) 

Nee... am besten bespreche ich es einfach mal zu einem passenden Zeitpunkt mit meinen Lieben. Habt ihr schon wieder was, worauf ihr euch freuen könnt!

 

In der Doku ist Peter mit Domenica auf dem Friedhof und sucht sich ein Grab aus. Dadurch, dass sie ebenso sachlich bleibt, kann er sagen, was er gerne hätte und was nicht. Er muss keine Rücksicht auf ihre Gefühle nehmen. Das macht es ihm leichter. Hätte er seine weinende Ehefrau an seiner Seite, hätte er vielleicht nicht laut drüber nachgedacht, ob er lieber an der Eiche oder an der Birke liegen möchte. So aber konnte er sogar drüber scherzen. Und nahm dem traurigen Anlass seinen Schrecken.

Und die hohe Kunst ist, es TROTZ der trauernden Ehefrau / des trauernden Ehemannes Kinder, Enkel, Pi Pa Po... an der Seite zu tun. Das ist Level-up.

 

Wenn jemand über den Tod reden möchte, dann sollte er es tun dürfen. Aber niemand außer ihm selber kann es ihm erlauben. Er muss die Verantwortung für die Gefühle, die er auslöst bei denen lassen, die diese Gefühle empfinden. Er sollte sich nicht zurück nehmen, um andere zu schützen. Das ist schwieriger, je betroffener sein Gegenüber reagiert. Aber es sollte es ihm nicht unmöglich machen.

Er sollte seinen Gegenübern voller Respekt zutrauen, dass sie selbst für sich sorgen können. Das entbindet ihn von der Verantwortung, für ihr Glück und ihre Zufriedenheit zuständig zu sein. Auch davon, der Grund ihrer Trauer oder Wut zu sein. Denn jeder ist nur sich selber gegenüber verantwortlich. Dafür, wie er mit dem, was ihm entgegen gebracht wird, umgeht.

 

Klingt egoistisch. Aber genau betrachtet ist es tatsächlich so. Wenn jeder für sich sorgt, ist für jeden gesorgt. 

Was ich schon sehr gut kann ist mitzuteilen wie ich leben möchte. Da bin ich recht klar, was für mich in Frage kommt und was nicht. 

Und auch da: Das gefällt nicht jedem.

Ich hatte in dem Beitrag über den ALS-Tag geschrieben, dass ich nicht ein Stück Fleisch sein möchte, dass am Leben erhalten wird. In Verbindung mit einer invasiven Beatmung hatte ich das geschrieben. Denn mein Horror ist, dass ich nur noch beatmet und mit Nahrung versorgt werde. Mein Hirn noch funktioniert, aber ich keinen Einfluss mehr auf meine Umwelt nehmen kann, weil alle Möglichkeiten des Kontakts durch die fortgeschrittene ALS ausgeschaltet sind.

Es ist jetzt schon manchmal echt Kacke, dass ich mich nicht so drehen kann, wie ich es gerne möchte, oder nicht an eine juckende Stell komme, weil ich die Arme nicht hoch genug bekomme. Völlig bewegungsunfähig rumliegen und noch nicht mal mehr sagen zu können, dass es juckt? Nein, danke!

So habe ich für mich entschieden, dass ich nicht alle medizinischen Möglichkeiten ausschöpfen werde um so lange wie möglich am Leben zu bleiben, sondern lieber die, die mir das Leben (und später auch das Sterben) so angenehm wie möglich machen.

 

Hei der Blitz! Da hatte ich aber ein paar Leuten auf die Füße getreten! 

Sie fühlten sich von mir persönlich angegriffen.

Eine schrieb, sie sei kein Stück Fleisch und könne sehr wohl noch am Leben teilnehmen. Andere nannten mich unverschämt, so über Menschen zu reden.

Häh?

Hatte ich sie als Stück Fleisch bezeichnet? Nein. Sie sich selber. Sie hatte meinen Beitrag gelesen und sich als das Stück Fleisch wiedererkannt, von dem ich geschrieben habe.  Und machte es mir zum Vorwurf.

Dazu muss ich sagen, dass ich diesen Menschen überhaupt nicht kenne. Und mir somit auch gar kein Urteil erlauben kann. Ich gehe soweit, zu sagen, ich könnte ich es noch nicht mal, wenn ich ihn kennen würde. Keiner kann sich in einen anderen hineinversetzen.

(Wenn man das kapiert hat, ist man schon ein ganzes Stück weiter. Und man bewahrt so seine Mitmenschen vor einer Menge gut gemeinter Ratschläge. Ich liebe Menschen, die ihr Leben leben und mich meines leben lassen. Anstrengend finde ich, mich mit den ungefragten guten Ratschlägen anderer auseinander setzen zu müssen und am besten auch noch erklären zu dürfen, warum man sie nicht umsetzen möchte. Eine bessere Idee jagt die nächste. ARGH!)

 

Umzugehen damit, dass sich andere durch mich provoziert fühlen und es auf mich zurück werfen möchten, indem sie mich angreifen, lerne ich langsam. Ich sage mir manchmal gebetsmühlenartig vor, dass ich nicht für die Gedanken der anderen verantwortlich bin. Es fällt mir mal leichter mal schwerer, eine Linie zu ziehen.  Und mir meine Meinung und meine Gedanken nicht verbieten zu lassen. Genauso wenig wie meine Ausdrucksweise. Ich beschimpfe niemanden, greife auch niemanden an. Wer sich durch meine Beiträge beleidigt oder angegriffen fühlt, muss das mit sich, nicht mit mir ausmachen. Theoretisch verstanden, an der Praxis arbeite ich noch.

 

Das hat aber zur logischen Folge, dass ich, möchte ich über den Tod reden, es auch tun sollte. Er kommt dadurch nicht schneller, auch bleibt er nicht länger weg, wenn ich es nicht mache.

Tun wir es im Leben, können wir denen, die uns lieben und die wir lieben, helfen, indem wir ihnen erzählen, wie wir uns unser Sterben und Gedenken wünschen. Wenn sie es wissen, werden sie sicher beizeiten dementsprechend handeln. Und das ist doch schön. 

Dann könnte man sich überlegen, wo man später mal begraben sein möchte, wie die Trauerfeier aussehen sollte, wen man gerne um sich hätte (und wen nicht: "Lad bloß die olle Meier nicht ein, die soll bleiben wo der Pfeffer wächst!"), all das, was man sich nur wünschen kann wenn man noch lebt.

Das gefällt mir. Und es nimmt den Hinterbliebenen auch eine Verantwortung ab. Denn wenn man seine Wünsche nicht äußert, müssen sie es so machen,  wie sie denken, dass man es sich gewünscht hätte. Da können sie auch daneben liegen.

Gut, kann dem Toten dann letztendlich auch egal sein. ;-)

 

Und wenn jemand damit nicht umgehen möchte, hat er das Recht, sich dem zu entziehen. Er hat aber kein Recht, dem anderen zu verbieten, es zu tun.

Dazu braucht es, erwachsen zu sein. Sachlich und wertungsfrei mit dem Gehörten umzugehen und sich

"den Schuh nicht anzuziehen". Wer sich auf die kindliche Schmollebene zurück ziehen möchte, darf das auch. Das macht es für den anderen nur etwas anstrengender. Ist aber ein guter Lehrmeister. Wenn man versucht, bei sich zu bleiben, pingt einen ein solches Verhalten nicht mehr an. 

Das gilt sicher für alle Lebensbereiche und jede Interaktion.

 

Und: Erwachsen sein hat nichts mit dem Alter zu tun. Genauso wenig, wie es das Sterben hat. ;-)

 

Gehabt euch wohl!