Tag 4, Bergmannsheil


Tag 4, Bergmannsheil

 

Boah… der Schädel…autschn…

Wenn eines wirkt, dann die Nebenwirkungen. Ein steter Druck begleitet mich durch den Tag und die Nacht. Paracetamol helfen für eine Zeit, dann isser wieder da.

Meine Bettnachbarin ist gestern entlassen worden. Sie ist 76, eine pensionierte Lehrerin aus Bochum und ein echtes Unikum. Sie ist die feine Variante der Ruhrpottschnauze. Hammer. Auf Grund von Luftproblemen wurde sie von ihrem behandelnden Arzt ins Krankenhaus überwiesen, sie hat außerdem einen Thrombus. Jut, nun ist es ja so, dass nur durch Handauflegen keine Diagnose möglich ist. Sie liegt also in ihrem Bett und der Professor kommt an meinem ersten, der ihr zweiter Tag war, rein um die weiteren Untersuchungen mit ihr zu besprechen. Sie machte sich wegen des Thrombus viel mehr Sorgen als wegen der Luftnot. Dazu meinte der Prof. (übrigens ein anderer, da der der Inneren), das sei kein großes Problem, da sich solche Pfropfen unter der Gabe von Blutverdünnern meist auflösen. Aber die Luftnot weise eher auf ein Problem der Lunge hin. Man möchte sie gerne Rad fahren lassen, um unter Belastung zu prüfen. Sie, ergraute Dame, etwas korpulent, thront im Bett und sagt: „Nee, also nee. Ich hab‘ mein Rad vor Jahren verkauft. Jetzt soll ich hier strampeln? Nee.“ Er, etwas konsterniert, meinte daraufhin (hatte übrigens auch einen still-nickenden Begleiter, haben die, glaube ich, immer), dass man ja nun schon irgendwie herausfinden muss woran das liegt. Sie sagte, ihre Mutter sei auch immer „püstig“ gewesen, „püstig“ habe ihre Mutter das genannt. Das ist sicher das Alter. Hihi. Dann wieder so ein tadelnder Blick in Richtung Prof., der sie immer noch aufs Rad kriegen wollte. Oh, neee. 

Er wurde dann was strenger, und damit war klar, dass geradelt werden musste. Ich glaube, andere machen wegen einer Lungenbiopsie weniger Aufriss. Sie sagte: „Herr Professor, ich sach ihnen dat, ich kipp da runter.“ Er ließ nicht locker und versicherte ihr, dass dies durch die Tatsache, dass es sich um ein Liegerad handelt, recht ausgeschlossen sei. „Liegen? Wie soll ich denn im Liegen strampeln. Och nee!“ Proffi hatte nun keinen Bock mehr und kam zum Ende. Es wird geradelt. Gut ist. Sie ist dann später auch abgezogen, nicht ohne zu versichern, dass das Zimmer ja wirklich 5 Sterne plus sei, es aber nix nutze, wenn man dauernd so gestresst werde. Ich weiß, warum ich den Ruhrpott so liebe!

Zurück vom Strampeln, war sie erstmal ganz zufrieden mit sich. War auch nicht runtergekippt.

Dann musste sie noch zum Herz-Ultraschall, zum Lungenfunktionstest, zum Unterbauch-Ultraschall. Alles wurde begleitet mit genervten, aber super sympathischem Lehrerinnen- Gesichtsausdruck, ob des Stresses, den sie ihr hier zufügen. Wegen des Unterbauch-Ultraschalls musste sie am nächsten Morgen nüchtern bleiben. Sie sollte um 9 abgeholt werden. Hier ist es nicht so, wie in anderen Krankenhäusern, die ich bisher besucht habe. Hier kommt um 8 Frühstück und vorher passiert nix. Kein Putzen um halb 7, Betten aufschütteln um 7. Hotel halt. Somit war ich schon duschen gewesen als das Frühstück kam und sie ruhte noch. Nun war die Schwester aber schon um 8,30 da um sie abzuholen. Da sie sich aber noch nicht aus dem Bett bewegt hatte, war sie demensprechend auch noch nicht fertig. Wieder der Gräfin-Blick, dann die Mitteilung, dass sie doch erst um 9 abgeholt werden sollte. Die Schwester ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und sagte, es sei kein Problem, dann komme sie halt in 10 Minuten wieder. Mutti machte sich parat und saß wartend auf der Bettkante. Bis halb 11. Grins. Als sie wiederkam brauchte sie kein Frühstück mehr, weil es schon Mittag gab.

Ja, und so kam der gestrige Tag. Der Prof. eröffnete ihr, dass sie erstmal den Thrombus auflösen müssen, weil jede weitere Untersuchung dazu führen könnte, dass er sich löst und dann irgendwo festsetzt und Schaden verursacht. Sie lag wieder entspannt im Bett, hatte grade den „Stern“ mit dem darin befindlichen Kreuzworträtsel zur Hand genommen und war rundum zufrieden. Da sagte Proffi: „Aus dem Grund werden wir sie heute entlassen. In ca. 6 Wochen stellen sie sich dann wieder hier vor.“ „Och, Herr Professor, kann ich nicht bis morgen bleiben? Ich lieg hier grade so schön.     Außerdem ist zu Hause so’n Chaos, mein Mann hat den Gärtner bestellt.“ Grandios! Er meinte nur, dass sie das mit der Schwester bereden soll. Die aber keinen Zweifel daran ließ, dass das hier eben kein Hotel sei und sie eine weitere Nacht gegenüber der Krankenkasse nicht begründen können. Soviel zum Thema, dass Krankenhäuser die Leute extra festhalten wollen. So ergab sie sich seufzend ihrem Schicksal, rief ihren Mann an und fragte, wie schlimm es zu Hause sei, sie würde sonst direkt in ein Hotel durchfahren. Klar, vieles war Scherz, aber einen wahren Kern beinhaltete ihr Verhalten. Ich fand es jedenfalls höchst amüsant. Vatti meinte, der Gärtner sei fast fertig und er komme sie abholen. 

Und dann war sie weg und ich habe nun ein Einzelzimmer, was die Sache nicht unterhaltsamer macht. 

Mein Armbeugen-Zugang hat dann gestern auch schlappgemacht und musste entfernt werden. Nicht übel, da die Bewegungsfreiheit eine andere ist, wenn nichts mehr im Arm steckt. Jetzt steckt es im Unterarm. Naja. Auch nicht schöner. Mal sehen, ob ich bis morgen durchhalte oder mir morgen für die letzte Tropfung nochmal einen neuen Platz aussuche. Dann könnte der Zugang gleich auch wieder raus und ich hätte den Rest des heutigen Tages und in der Nacht Ruhe. Wir werden sehen.

Gestern war dann noch ein Kollege da, der in Bochum wohnt. Das war nett. Erstmal haben wir uns ewig nicht gesehen und hatten eine Menge zu erzählen und dann war es auch schön, Besuch zu bekommen. Wenn man 100 km von zu Hause weg ist, kommt einen nicht mal eben einer besuchen. 

So, 10,34, die zweite Flasche läuft. Der Schädel hält einigermaßen still, die Beine sowieso.  ;-) 

Habe gestern Abend den „Kölner Treff“ geguckt, mit Gaby Köster, ne coole Frau, die sich auch wieder sehr gut zurück gekämpft hat. Nach wie vor recht laut. Gefällt mir gut. Und in der Zeitung habe ich gelesen, dass die Stabhochspringerin Kira Grünberg, die sich das Genick gebrochen hat, nun schon ihr Buch veröffentlicht. Das ging ja fix. Wer schreibt das für sie? Sie selber hatte sicher anderes zu tun, denn so lange ist der Unfall ja nun nicht her. Aber sie hat sich auch sofort mit ihrer neuen Situation arrangiert. Nur so geht’s!


Bild: Krankenhaus-Bett
Bett zu vergeben




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