Umdenken

Passt mir zwar nicht, aber sehen wir den Tatsachen mal ins Auge.

Ich bin mittlerweile mehr als nur gehbehindert.

Pöh. Echt doof.

Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass ich mehr als nur "nicht gehen" kann.

Ich kann auch gut "nicht hochreichen" um z.B etwas aus einem über mir befindlichen Regal zu nehmen oder, noch schlimmer, wieder zurück zu stellen, denn das hat dann gleich auch mit Punkt zwei zu tun:

Denn ich kann auch sehr gut "nicht heben", was z.B neben mir steht und das Gewicht einer 1-l-Wasserflasche übersteigt. Z.B. Hundi auf den Schoß zu heben, würde bedeuten, dass ich ihr entgegen kippe. Dann wäre ich vielleicht auf ihrem Schoß, aber das Thema wäre verfehlt.

 

All das Können wird gefolgt von "nicht rüberrutschen"-können.

Ich komme auf nix mehr alleine rüber. Nicht aufs Sofa, nicht aufs Bett, aufs Klo, Elektrorolli ...manchmal noch nicht mal alleine auf Brunos Fahrersitz. Und das ist ma richtig Kacke. Da schwindet die Unabhängigkeit schon wieder dahin, die ich mir grade erst hart erkämpft hatte. Und um die ich eigentlich ja immer noch kämpfe, da die Rechtmäßigkeit auf Brunos Besitz ja wieder von der RV in Frage gestellt wird.

Ich kann auch gut "nicht in eine Jacke schlüpfen", denn die bedingt, dass ich im Sitzen die Arme in sie schiebe. Dafür müssen sie gedrückt und gehoben werden.... nicht grade meine leichteste Übung. (Hilft mir ein wohlmeinender Zeitgenosse und ist etwas zu burschikos muss ich sogar aufpassen, dass er mich nicht, gefangen im Jackenärmel und somit nicht in der Lage mich festzuhalten, aus dem Rolli katapultiert.)

Schuhe anziehen... Beine müssen gehoben, Füße in die Schuhe gedrückt, und dann diese noch geschlossen werden, indem die Beine weiterhin oben gehalten werden. Das kann ich auch sehr gut... nicht. 

Klar, klappt, aber es ist ne Challange.

War bis vor ein paar Wochen alles noch kein Ding. Jetzt ist es eher so, dass ich, bin ich für die Hunderunde bei kaltem Wetter angezogen, echt am Ende bin. So anstrengend war das.

Schön ist das nicht.

Also heißt es (mal wieder) umdenken. Das ist ja seit dem Beginn meiner Krankheit ein ewiger Prozess. Nichts ist beständiger als der Wechsel. 

Und ich wechsel von "kann alles alleine" zu "wer kann mir helfen".

 

Dazu gehört, um Hilfe zu bitten. 

Habe ich gelernt. Und habe erfahren dürfen, dass die Bitte nie abgelehnt wird. 

Wildfremde Menschen, die ich aus dem Innern meines Autos rufe, weil ich, da er in Schräglage steht, nicht alleine auf die Hebebühne rollen kann, helfen mir. Ziehen meinen Rolli raus an die Luft und warten, ob sie noch was tun können.

Hier ist eher das Problem, dass manchmal keiner kommt, wenn ich Hilfe brauche und an wenig frequentierten Stellen stehe. Der einzige, der dann mal um die Ecke biegt, hilft mir dann aber sofort. Nichts anderes habe ich bisher erlebt.

 

Was mir aber noch sehr schwer fällt ist das Offensichtliche der Hilflosigkeit zu akzeptieren. Dass jedes Bitten um Hilfe klar macht, dass ich wieder etwas weniger kann. Kein: "Nein, geht schon, danke." Ganz im Gegenteil.

 

Mein lieber Chef begrüßte mich anfangs immer in der Halle. Ich kam mit Bruno angefahren, wechselte vom Fahrersitz in den Rolli und rollte über seine Hebebühne ins Freie, leicht bergauf in die Halle rein.

Mittlerweile begrüßt er mich am Auto und schiebt mich den "Berg" hoch. Mit einer Selbstverständlichkeit, dass ich mich wirklich gut aufgehoben fühle, es mir aber dennoch vor Augen führt, dass ich wieder etwas weniger kann.

Letzte Woche hat er mir sogar geholfen, vom Rolli auf den Fahrersitz zu gelangen. Das geht ganz gut, weil ich mit Hilfe des Rutschbrettes wechsele. So muss man nur vorsichtig meinen Poppes über das Brett schieben und ich komme unfallfrei auf dem Fahrersitz an. Weil es manchmal kräftemäßig nicht reicht, dass ich mich selber rüber ziehe. Und ich eine dritte Hand brauche um mich mit zweien zu schieben und mit einer festzuhalten, damit ich weder vorne noch hinten über kippe.

 

"Komm ich helfe", meinte er lapidar und unter meiner Anleitung, denn es darf auch nicht zu flott gehen, weil ich sonst fliege, schob er mich an Ort und Stelle. Wahrscheinlich wird er mich bald auch vom Autositz in den Rolli schieben. :-/

 

Die Alternative wäre, nicht mehr raus zu gehen. Und das ist definitiv keine Alternative.

Eine Alternative aber ist, dass ich mich nach weiteren Hilfen umschaue. So habe ich mich bei Assistenz.de gemeldet und um eine Beratung und Hilfe gebeten. Und sie auch sehr schnell bekommen.

Nun beantrage ich diese Assistenz und werde, wenn alles gut geht, bald Menschen an meiner Seite haben, die mich in der Zeit, die ich eigentlich alleine wäre, begleiten und mir bei meinem Alltag helfen.

Das wäre ein Träumchen und würde mir wieder eine Menge Selbstständigkeit zurückgeben. So würden z.B.  auch Museumsbesuche und solche Ausflüge, die ich mir aktuell nicht mehr alleine zutraue, wieder möglich werden. Und auch das Anreichen von Dingen und das Anziehen von Jacken/Schuhen wären keine Hindernisse mehr. 

Ich hätte Unterstützung und könnte tatsächlich wieder den Ideen folgen, die ich satt und genug habe, die aber aktuell an meiner fehlenden Kraft scheitern.

 

Hört sich gut an, oder?

 

Dann drückt mir (mal wieder ;-)) die Daumen, dass die Umsetzung auch klappt!  




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