Motzi-Mutti

Ja, meine Motzi-Mutti... Könnte lustig sein, ist es aber leider gar nicht. Es ist sogar sehr traurig.

 

Meine Mama ist mittlerweile so schnell dement geworden, dass sie nun kaum noch in dem Altenheim betreut werden kann, in das sie vor wenigen Monaten einzogen ist.

Die Ereignisse holen mich ein, ich komme nicht hinterher.

Vor einem Jahr war es noch so, dass sie alleine lebte, ihre Wohnung hatte und auch einigermaßen selbstständig zurecht kam. Sie war wunderlich und manch ein Anruf von ihr ließ meine Brauen runzelnd zurück, aber ich dachte mir noch nicht viel dabei. Bis sie immer öfter und mehrmals täglich anrief und teilweise verzweifelt fragte, was denn nun für ein Tag sei und ich doch gesagt hätte, dass ich sie holen käme. Und all das nicht mehr verstand, wenn ich ihr erklärte, dass es ja erst Mittwoch sei und wir uns doch für Samstag verabredet hätten. Wir gingen am Telefon den Kalender durch, doch den richtigen Tag zu finden gelang ihr nicht immer und immer seltener. Das ließ mich zweifeln und ich entschied, dass ein Arztbesuch ratsam sei. Sie war in dieser Zeit ein Mensch, der einem folgte, wenn man ihm etwas empfahl.

Sie fragte zwar, warum sie denn zum Arzt sollte, schließlich sei doch alles in Ordnung, aber als ich ihr erklärte, dass jeder sich mal durchchecken lassen sollte, war es ok. Zu dem verabredeten Termin trafen wir uns vor der Praxis der Ärztin, die nur wenige Meter von ihrer Wohnung entfernt war. Ich war schon Rolli-Queen und es war eine logistische Herausforderung zu ihr zu gelangen, und teuer, denn ich machte es mit einem Taxi. Da ich durch die komplette Stadt musste, wäre ich mit dem Bus Stunden unterwegs gewesen.

Die Ärztin sprach da schon von einer Demenz und riet mir eindringlich, dass meine Mutter in eine Einrichtung umziehen müsse, da sie sehr schnell eine Gefahr für sich werden würde. Februar 2016.

Und tatsächlich ging das alles sehr schnell. Die Vermieter erzählten mir, dass sie schon mal die Nacht über Wasser hatte laufen lassen, weil sie nicht wusste wie man den Hahn abdreht. Oder dass sie sie fragte, warum ihre Wohnung so dunkel sei. Das lag daran, dass alle Rollladen unten waren. Oder dass die Waschmaschine/der Herd sich nicht an- oder ausstellen lassen würden. Gott sei Dank gab es dieses Ehepaar, das sicher Schlimmeres verhindert hat. Aber auch sie waren am Ende ihrer Kräfte, denn erst bei diesem Gespräch erfuhr ich, dass dies schon einige Zeit so ging. Nie hatte aber jemand mir Bescheid gesagt. Und da ich durch die fehlende Möglichkeit in die Wohnung meiner Mutter zu gelangen, sie immer nur bei mir zu Hause erlebte, war mir nicht klar, wie weit sie schon verwirrt war.

Als die Tragweite sich abzeichnete, entschied ich, dass sie erst einmal in eine Klinik untergebracht werden sollte um sie weiterhin versorgen zu können. Sie hatte auch abgenommen, wahrscheinlich kochte sie schon länger nicht mehr für sich, auch wenn sie es weiterhin erzählte. Einer der Kochversuche hatte leider auch mit einer angeschmorten Herdabdeckung geendet, was ich aber auch erst später erfuhr.

So erklärte ich ihr, dass sie in ein Krankenhaus müsse um sich helfen zu lassen.

Auch hier war es so, dass sie es nicht wollte, aber sich überzeugen ließ. Sie sagte da noch, dass sie es ja einsehe, dass sie nicht alleine leben kann.

Im Krankenhaus war sie auf der gerontopsychiatrischen Abteilung untergebracht. Eine sehr anstrengende Zeit, da hier ja nur kranke Menschen waren, und man den wenigsten erklären konnte, was sie durften und was nicht. So wuselten sie immer durch die Zimmer und öffneten Schränke, weswegen diese auch abgeschlossen wurden. Meine einigermaßen klare Mutter war hier sehr gestresst.

Bei einem MRT wurde dann die Alzheimer-Krankheit diagnostiziert.

Und wenn es bis dahin noch nicht völlig klar war, dass sie nicht mehr in ihr Zuhause zurück konnte, nun war es das. Nun hieß es eine Einrichtung zu finden. Der soziale Dienst des Krankenhauses half mir dabei sehr. Ich war ja noch völlig neu auf dem Gebiet, hatte ich mir doch grade erst mein Behinderten-Gebiet erarbeitet. Es musste eine Notwendigkeitsbescheinigung erbracht werden, die besagte, dass sie nicht mehr alleine leben konnte. Beim Amt für Altenhilfe mussten die Vermögensverhältnisse aufgezeigt werden. Haha...

Mit Hilfe von Thompson und Pascallo wurde ich in die Wohnung meiner Mutter getragen, wo wir uns durch die Schränke wühlten auf der Suche nach Unterlagen. Die waren schon lange nicht mehr ordentlich abgeheftet worden, man fand überall etwas. Und auch ihre Kleidung nahmen wir komplett mit, denn im Heim musste sie sie ja haben. Alles musste erst mal gewaschen werden, es war wohl auch hier schon länger etwas im Argen gewesen.

Im Amt für Altenhilfe war die Sachbearbeiterin super nett und hilfsbereit. Mit dem Rolli kam ich grade so in den Aufzug, das Gebäude ist aus den 60ern. Und auch die Büros sind entsprechend eng. Aber es hat alles geklappt. Und sie war sehr bemüht. Wenn man es noch kennt, wie Beamte damals drauf waren, war das sehr angenehm.

Wir sind die Sachen, die ich so gefunden hatte durchgegangen und dann habe ich Hausaufgaben bekommen. Es war ne Menge. Aber, hey, klar habe ich sie erledigt. Und Mutti konnte einziehen.

Das war im Mai 2016.

Mit dem Umzug fiel die Auflösung der Wohnung zusammen. Kein Gedanke für mich daran, nochmal zurück zu gehen und nach Erinnerungen zu schauen. Es hieß Augen zu und durch. Thomas machte Fotos von der Einrichtung, ich bot das, was noch verwertbar war als Spende an, dann beauftragte ich eine Entrümpelungsfirma und dann war die Wohnung leer.

 

Es musste noch weitere Unterstützung beantragt werden und nach und nach lief alles. Ich hatte auch die Betreuung beantragt. Auch das wurde geprüft und im November war ich ihre Betreuerin. Mit der Urkunde konnte ich die letzten Bankgeschäfte erledigen. Dann hätte Ruhe einkehren können.

Die Besuche bei meiner Mutter waren immer anstrengend, im Laufe des November und Dezember war klar, dass ihr Zustand sich aber erheblich verschlechtert hatte.

War sie sonst noch auffangbar, wurde sie nun zunehmend ungehalten wenn die Pfleger, Sozialarbeiter oder auch ich nicht in ihrem Sinne handelten. Und in ihrem Sinne zu handeln wurde zunehmend schwerer.

So stand sie mehr als einmal an der Türe um raus zu gehen. Was aber nicht geht, sie ist ja völlig hilflos.

Der nächste Versuch war, dass sie in einer Klinik medikamentös eingestellt wird. So brachten wir sie zwischen Weihnachten und Neujahr in die Klinik. Auch hier war es nicht damit getan, sie hinzubringen. Da es eine geschlossene Einrichtung ist, musste ich einen Antrag auf Unterbringung beim Amtsgericht stellen. Das ist in meinen Augen auch völlig legitim, aber es ist Schreibkram und bedarf Zeit.

Der Klinikaufenthalt betrug 5 Wochen. Leider ohne großen Erfolg. Allerdings meinte die behandelnde Ärztin, dass meine Mutter wieder in ihr altes Heim zurück könne, da sie keine Fluchttendenzen mehr zeige und auch nachts schlafen würde.

 

Ich darf euch sagen: Mumpitz!

Nun ist sie grade mal wenige Wochen zurück und die Pfleger gehen auf dem Zahnfleisch. So habe ich mit ihnen entschieden, dass es so keinen Sinn mehr macht. Auf der Suche nach einem Platz, der meiner Mutter gerecht wird, bin ich nun auf dieses Konzept gestoßen, was ich mir heute angesehen habe. Es heißt Pro 8, was mit der Anordnung der Gänge zu tun hat. Und es gibt dort mehr Pfleger und sie haben sich auf schwer demenzkranke Menschen spezialisiert.

 

Ich denke, es ist eine Einrichtung, die bestmöglich auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. So habe ich heute mit ihrem Heim abgesprochen, dass ich sie dort anmelden werde. Da es wieder eine geschlossene Unterbringung ist, gehört auch hier wieder eine richterliche Anordnung dazu. Aber mittlerweile weiß ich ja wie es geht.

In all dem Handeln, Überlegen, Entscheiden und Reagieren findet eines kaum Platz.

Die Trauer darüber, dass von meiner Mutter so gut wie nichts mehr übrig ist. Die kurze Zeit, die wir in ihrer Anfangszeit im Altenheim hatten, wo sie helle Momente hatte, wo ich kleine Gespräche mit ihr führen konnte, wir auch mal gelacht haben, sie sogar einmal meinte, wenigstens ich sei für sie da, sie sich über Cindys Besuch gefreut hat, all das ist nun schon Vergangenheit.

Ich hatte gar keine Zeit, dies entsprechend zu würdigen, weil schon kurz drauf alles wieder anders war.

Nun habe ich mit einer teilweise sehr bösen Frau zu tun, die mit mir schimpft und deren Frust sich ungehemmt entlädt. Das ist sehr anstrengend, erinnert es mich doch sehr an meine Kindheit. Auch wenn ich weiß, dass gar nicht ich gemeint bin. Ich bin nur zufällig da. Wenn es nicht mich trifft, trifft es einen Pfleger, einen Bewohner, sonst wen.

Ich finde das alles so traurig, nahezu tragisch. Und ich weiß auch im Moment nicht wirklich damit umzugehen. Die Pfleger raten mir aktuell davon ab, sie überhaupt zu besuchen, weil sie sowieso schon völlig durch den Wind ist, alle weiteren Aufregungen werden sie noch mehr aufbringen.

Es tut mir sehr leid, dass sie so leiden muss, aber ich kann nicht helfen.

Ich bin Hilfe, indem ich ihr einen schnellen Umzug ermögliche. In eine Umgebung, die sich bestmöglich auf sie einstellen kann. Und das werde ich tun. Und dann mal sehen.

 

Ich bin sehr traurig.




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