Erinnerungen. Meine Freundin.


Freundin ist für mich ein geschützter Begriff. Ich vergebe ihn nicht wahllos.

"Meine Freundin" ist meine Freundin. Sie ist schon seit Jahren an meiner Seite. Was nicht bedeutet, dass wir uns regelmäßig sehen. Wir wissen eine Menge übereinander. Ich vertraue ihr und weiß, dass dies nicht ausgenutzt wird.

Davon gibt es nicht viele. Ich habe genau zwei. Und von einer möchte ich heute erzählen.


Kennengelernt haben wir uns im 1.Schuljahr. 1975. Sie ist das Mädel unter der Lehrerin, ich bin die in der zweiten Reihe von unten, dritte von rechts. Wie daran unschwer zu erkennen, waren wir uns in der Zeit nicht sonderlich nah. Ganz im Gegenteil. Ich fand sie reichlich doof. Meine Freundinnen zu der Zeit waren die, die neben mir sitzen. Wir waren fast Nachbarn und haben uns Nachmittags zum Rollschuhlaufen oder Flummi-, Gummitwist-, Verstecken- und Fangen- spielen getroffen. Mit von der Partie war noch das Mädel in der zweiten Reihe von oben, dritte von links. Die, die in blau gehalten ist. ;-)

Doof war sie, weil sie dauernd heulte, wenn sie zur Schule gebracht wurde. Sie war bei der Einschulung noch 5 und aus heutiger Sicht betrachtet, wäre es sicherlich sinniger gewesen, sie hätte noch ein Jährchen gewartet. Hat sie, bzw. haben ihre Eltern aber nicht. Und wenn dann so ein heulendes Wesen in die Klasse kommt, ist das keine gute Webung für dieses Wesen. So, Stempel drauf. Fertig.

Was sie die nächsten 4 Jahre getrieben hat, weiß ich nicht, wir haben die Grundschulzeit jedenfalls ohne groß Kontakt zu haben, hinter uns gebracht.

4. Schuljahr. Hier hat sie den Kopf von rechts, 1. Schuljahr, nach links gedreht. :-D Wir waren uns nicht näher gekommen. Ich stehe oben neben der Lehrerin. Meine beste Freundin in dieser Zeit sitzt unten. Frauenquote in der letzten Reihe.
4. Schuljahr. Hier hat sie den Kopf von rechts, 1. Schuljahr, nach links gedreht. :-D Wir waren uns nicht näher gekommen. Ich stehe oben neben der Lehrerin. Meine beste Freundin in dieser Zeit sitzt unten. Frauenquote in der letzten Reihe.

Während ich hier schreibe, habe ich mich auf die Suche nach Bildern gemacht, aber es gibt keine. Keine digitalisierten. Bis auf diese Klassenfotos halt. So dachte ich mir, schreibe ich sie doch mal an und frage, ob sie was hat.

 

Hiho! Du hast doch bestimmt noch Bilder von uns, oder? Magst du mir ein paar schicken?
Hi, da muss ich aber mal wühlen...bis wann möchtest du die haben?
Meine Idee war, du sagst: "Klar, habe ich auf Festplatte, warte ich schick sie dir kurz". 😀
Klar hab meine ganze Vergangenheit digitalisiert 😘. Ich schau gleich mal...vlt. find ich was auf die Schnelle
So wie ich halt 😂
alles digital und abrufbereit.
oder so
Du willst Vergangenheit.... bitteschön
Und dann kommt das:

Das läßt zumindest darauf schließen, dass wir in der Grundschule Kontakt miteinander hatten. Dass ich ihre Freundin war, ist eine glatte Lüge.

Pfui... ich habe gelogen...

 

Den Spruch in ihrem Poesiealbum habe ich bestimmt aus meinem abgeschrieben. So wurde das doch gemacht, ne? ;-) Oder meine Mutter hat ihn mir diktiert. Wahrscheinlich hat den jeder in seinem Poesiealbum stehen.

 

Bevor Konfusness aufbraust: Da steht "Liebe Michaela" weil unsere Eltern gleich kreativ waren. Wir heißen beide so. Also bleibt festzuhalten, ich hatte eine recht schöne Schrift und ich fand sie nicht doof genug, um nicht in ihr Poesiealbum zu schreiben. Oder ich war zu gut erzogen.

 

Freundinnen wurden wir später.

Im 5.Schuljahr, es war der erste Schultag in der neuen Schule, war ich irgendwie die letzte, die in die Klasse kam. Auf der Suche nach einem freien Stuhl schaute ich mich um und ratet... genau. Neben ihr war noch ein Stuhl frei. Och, komm. Nee, oder?

Ich ging hin und fragte: "Ist hier noch frei?" Und genauso begeistert wie ich, war auch sie. Sie blickte kurz hoch und sagte, schon wieder dabei, den Blick abzuwenden: "Ja." Also setzte ich mich.

 

 

Wie es genau geschah, weiß ich nicht mehr. Wir waren von diesem Tag an unzertrennlich. In der Schule zusammen, danach haben wir telefoniert und uns dann gesehen. Sie wohnte nicht sehr weit weg, zu Fuß oder mit dem Rad waren es nur wenige Minuten.

Michaela war von uns beiden die "Vernünftigere", (Ich hör dich lachen!), sie war so ein wenig das Gewissen. Während ich rumspann und die wildesten Ideen hatte, holte sie mich dann schon mal wieder runter und bewahrte uns vor dem ein oder anderen schweren Fehler. Alle hat sie aber auch nicht auffangen können.

Sie hatte auch mehr Geld als ich, bekam eindeutig mehr Taschengeld, was ich ihr bei Mc Donald's dann aus der Tasche nudelte um eine Kirschtasche abzustauben. Und sie hatte coole Telespiele. Nachmittage-lang spielten wir irgend so ein Olympiaspiel, wo Skifahrer im Fernsehen eine Abfahrt runterfuhren.


Schwarm: Rolf.

Wer war Rolf? Keine Ahnung. Die anderen beiden weiß ich noch. ;-)

Natürlich machten wir auch unsere ersten Liebeleien gemeinsam durch. Irgendwann auf dem Flur sah ich IHN! Unseren Traumprinz für die nächsten 2 Jahre. Mario P. Und auch nur deshalb zwei Jahre, weil er da die Schule verließ. Er hatte Mittlere Reife und wir blieben todtraurig zurück.

In diesen zwei Jahren haben wir aber von Telefonterror bis zum Stalking alles durchgezogen. Wir sind früher in die Schule gefahren um ihn vor Beginn noch zu sehen. Wir haben ihn verfolgt, als er mit einem Freund Tennis spielte, haben ihn heimlich (so heimlich, dass er uns natürlich gesehen hat) beobachtet. Als er dann überraschend um die Ecke bog, bin ich schnell rausgelaufen, Michaela hat den Weg ins Klo gewählt. Da blieb sie dann fast ne Stunde, gefühlt, weil die beiden Jungs sich einen Spaß daraus machten, vor der Klotüre stehen zu bleiben. Michaela und ich unterhielten uns durchs Fenster um zu planen, wie sie aus dem Gefängnis wieder rauskommen konnte. Sie hat ihr Heil dann in der Flucht gesucht, kam rausgestürmt und wir sind auf unsere Räder und los als wäre der Leibhaftige hinter uns her.

Wir warteten in der Nähe seiner Haustüre, nur um einen Blick auf ihn werfen zu können, falls er mal rauskam. Es kam seine Oma raus, rief uns um uns mitzuteilen, dass er nicht da sei. :-D.

Wir waren Meister der Deckung.

Und das mit der ersten Liebe (Raphael?! Oh bitte!) nehme ich zurück. Erstens war er das nicht und zweitens möchte ich darauf hinweisen, dass ich es da noch nicht besser wusste. ;-)

 

Michaela und ich haben auch mal ihr im Garten aufgestelltes Zelt zerstört, weil wir einen dicken Falter vertreiben wollten. Er saß auf dem Außenzelt und wir trauten uns nicht mehr rein. Naturmenschen halt. Und die wissen sich zu helfen. Mit einem Stein haben wir den Falter beworfen. Einem sehr dicken. Gut, der Falter war noch da, aber das Zelt hatte einen ziemlichen Riss. Ups... nur eine von vielen Geschichten, die es den Eltern zu beichten gab.

Wir sind auch mal abends ausgebüxt, als ich bei ihr geschlafen habe, um in eine Disco zu gehen. Ihre Eltern waren ebenfalls unterwegs, der ältere Bruder sollte aufpassen. Aber der war auch weg.

So haben wir uns aufgebrezelt und sind mit dem Bus in die Stadt gefahren. Wir waren noch keine 16, sind aber trotzdem rein gekommen.

Aber als wir dort waren, sah ich in jedem Mann eine Zivilstreife und war so fertig mit den Nerven, dass wir nach wenigen Minuten wieder raus sind. Ein Trip, der sich wahrlich gelohnt hat....

Das einzig Gute war, dass wir grade rechtzeitig nach Hause kamen um vor dem Bruder reinzuhuschen. Na, immerhin.


Bliebe noch der Käsefleck an der Zimmerdecke von Michaelas Ziehoma zu erwähnen. Wie der dahin kam...?

Schmeiß halt eine Käsestück an die Decke. Ist auch ne Zeit lang kleben geblieben. ;-)

 

Oder die Taxis, die wir von Oma aus bestellt haben. Bis einer in der Zentrale sagte: "Kinder, hört auf, sonst gibts Ärger:" Von allen anderen Telefonstreichen erzähle ich besser nicht. Oder doch?

"Der Kinderliederzirkus", Haha, da haben wir Leute angerufen und gefragt, ob wir ihnen was vorsingen sollen. Und es tatsächlich getan.

Oder wir haben Leute angerufen und sie gefragt, ob sie wissen wo unsere Mama ist. Die waren ganz besorgt. Logisch. Von heute aus betrachtet...

Es gab keine Rufnummernübermittlung, das hat uns gerettet. Aber es wurde noch jedes Telefonat einzeln abgerechnet. Zum nächsten Monat war dann ein Schloß auf ihrem Telefon. Installiert von ihren Eltern. Auf meinem sowieso. War wohl was hoch geworden die Rechnung. Räusper.


Klassenfoto aus der 10.

Hier habe ich, wie meistens im 10. Schuljahr gefehlt. Ich hatte Schule für mich beendet. Michaela bekam einen Tadel, weil sie auf die Frage, wo ich sei, geantwortet hat: "Die ist krank." Sie hätte sagen müssen: "Sie hat gesagt, sie sei krank:" Sorry dafür.

Für mich gab's ne Klassenkonferenz. Die Schule habe ich dennoch gut abgeschlossen, und dann ist ja auch noch was aus mir geworden. ;-)


Als die Zeit der Freunde begann, ließ unsere Verbindung naturgemäß etwas nach. Jede ging mit ihrem Freund in dessen Umgebung, wir hatten weniger miteinander zu tun. War aber Liebeskummer angesagt, waren wir wieder zusammen.

Wir konnten lachen, dass wir uns in die Hose machten und keine Luft mehr bekamen und wir haben unsere Geheimnisse bewahrt.

Als die Schule beendet war, ging jede ihrer Wege und wir haben uns, unfassbar, aber wahr, jahrelang nicht mehr gesehen.

Nach 9 Jahren, als Jackson grade geboren war, besuchte mich Michaela im Krankenhaus und nach weiteren 3 Jahren waren wir beide gemeinsam schwanger. Ihr Sohn wurde wenige Wochen nach Pascallo geboren.

Und nach 41 Jahren haben wir beide immer noch Kontakt, haben uns immer noch was zu erzählen und zu lachen. Sie weiß soviel mehr über unsere Vergangenheit, Storys, die ich schon längst vergessen habe, hat noch Erinnerungsgegenstände, wo ich mich frage, wie sie das noch haben kann:


Muss mal in Keller
Schön, dass ich dich beschäftigen kann. 😀

Kennst du das noch....gab ein riesigen Wirbel deswegen
Ich kenn das noch, aber den Wirbel habe ich vergessen
Du hast deinen Lappen einem Jungen vermacht...weil er es nicht fertig hatte zur Benotung du hattest eine zwei bekommen, er eine drei. Das stand dann in der Schülerzeitung
Echt?
Und Frau Pöhland was Not amused
I think so

"Hallo Leute!

Was haltet ihr von einer Lehrerin, die nicht grade die gerechte Benotung erfunden hat?

Insbesondere eine gewisse Textillehrerin, die die gleiche Arbeit einmal mit zwei und einmal mit drei benotete, was nicht grade die objektive Art ist.

Denn die Arbeit wurde von einem anderen Schüler vorgezeigt, als von dem, der sie hergestellt hat. Natürlich ist das auch nicht astrein. Aber nur nach der Ansicht der Person zu benoten, ist nach unserer Ansicht auch nicht die feine englisceh Art. Da wir auch nicht ganz unschuldig sind, haben wir es ja auch erst einmal wohlwollend übersehen, aber dann wiederholte sich die ungerechte Behandlung bei anderem Material wieder.

Wir wollen ja nicht maueln, nur eben die Textillehrerin darauf hinweisen, dass sie die Arbeit nächstens vielleicht mehr begutachtet, als die Person, die sie hergestellt hat.

Viele Grüße

die Klasse sowieso

 

Anmerkung der Redaktion:

Dieser Fall, und andere, sind uns schon oft über die gleiche Person zu Ohren gekommen. Hoffentlich ändert sich die etwas peinliche Situation bald.

Wir würden uns sehr über eine Stellungnahme der Person freuen."


Ich danke dir für grandiose Momente, für Lachen bis zur Bewusstlosigkeit, für Adrenalin, als wir die Katzenkacke (Durchfall, weißt du noch) nicht aus dem Teppich bekamen und mit irischem Frühling gesprüht haben, bis wir fast kollabiert sind.

 

Oder für das Erlebnis mit meinem Gassigänger-Hund, den wir auf Deinem Hof abgespritzt haben, weil er die Jauchegrube toll fand. Stank übrigens ähnlich.

 

Für die Beatles, die ich immer noch liebe!

 

Ich finde es super, dass wir uns immer noch viel zu erzählen haben, und dass du weißt, wie meine Vergangenheit aussieht, weil du ein fester Bestandteil davon warst.

Schön, dass du auch ein fester Bestandteil meiner Gegenwart bis.

 

Alles Liebe, meine beste Freundin!



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