Doppelzimmer halt


Während ich räumte, ging die Türe auf und ich durfte meine Zimmergenossin kennen lernen. Ein Verpeilo-Mädel. Wie schön. Ich hätte sie auf Anfang 20 geschätzt, sie war aber 27, glaube ich und die Hektik in Person. Oha!

Sie redete in einer Tour und ohne Betonung. Auch ohne Luft zu holen, sie hatte bestimmt Kiemen. Dabei war sie nett, aber das ist nun mal nicht alles. Sie erzählte, dass bisher eine andere Frau mit MS mit ihr hier auf dem Zimmer war, aber jetzt ein Einzelzimmer bekommen hat. „Ja, meins“, dachte ich mir und wollte auch eins haben. Sofort.

Aber ich machte mit. Fragte sie wie lange sie schon da sei, was ihr fehlt, das übliche. Es stellte sich heraus, dass sie eine Art von Epilepsie hatte. Aber das erklärte es auch nicht. Sie hatte bestimmt noch was anderes. Egal. Als sie geendet hatte, düste sie wieder aus dem Zimmer, Wäsche waschen. Das tat sie übrigens täglich. Geschäftig waschen gehen. Ich habe nach der ersten Woche überhaupt erstmals nach einer Waschmaschine geschaut. Sie nahm drei Teile und verkündetet: „Isch musch jetscht erschtmal wasche gehe.“ Jupp, tschüsges!

Ich hatte meinen Schrank eingeräumt, festgestellt, dass ich kein W-Lan hatte (das stand auch anders in der Klinikbeschreibung) und musste nun zur Erstuntersuchung durch den Oberarzt. Hier war der Ort der langen Wege. Hier konnte ich es vergessen, mit dem Rollator unterwegs zu sein. So setzte ich mich in meinen Rolli und kullerte zum Arztzimmer. Dort wurde ich neurologisch untersucht. Von diesem Arzt hörte ich dann auch mal wieder, dass er bewundere wie positiv ich bin. „Kann dran liegen, dass ich mir sonst nicht ständig vorsagen lassen muss, wie schwer krank ich bin“, dachte ich so bei mir. Hier wurde das aber erstmal thematisiert. Alle und jeder hatte diesen Blick drauf. Der, der mich so nervt. Der, der sagt, dass ich nicht mehr lange machen würde. Der, der Bedauern ausdrückt. Aber es hatte auch was Gutes: Ich wurde sehr zuvorkommend behandelt und es sollte sich rausstellen, dass ich eine Menge genehmigter Verordnungen mit nach Hause würde nehmen können. Die zwei Seiten der Medaille. Der B-Bonus schlug wieder zu. ;-)

Nach der Untersuchung konnte ich zum Speisesaal fahren. Mittag. Er war eine Etage tiefer.

Das Schöne hier war, dass alle, die nicht selbstständig ein Tablett tragen konnten, am Tisch bedient wurden. Uns wurden die Wünsche von den Augen abgelesen. Welches Menu, welches Getränk, Nachtisch? Vorsuppe? Ja, klar, hole ich sofort. O wow! Schön hier! ´:-)

Ich saß mit einer jungen Frau die Spastiken hatte, am Tisch. Und so schlecht zu verstehen war, dass ich mich fragte, wie die, die sich mit ihr unterhielt, das hinbekam. War vielleicht auch eine Frage des Trainings. Die beiden waren ungefähr so lange in der Klinik wie ich, aber bis zum Ende meines Aufenthaltes hatte ich mit der einen kaum ein Wort gesprochen, ich verstand sie einfach nicht. Doof. Und mit der anderen wurde ich nicht recht warm, man unterhielt sich, aber das war es dann auch.

Wer mit dem Rollstuhl kam, der konnte direkt an den Tisch rollen, der Stuhl wurde einfach weg gesetzt. Außerdem war für Rollstuhlfahrer der vordere Bereich des Speisesaals reserviert, alleine schon, damit das Personal nicht durch den ganzen Saal laufen musste um uns zu bedienen. Das bedeutete aber auch, dass ich mich nie woanders als dort hinsetzen konnte. Später, als ich meine Freundschaften geschlossen hatte, die nicht nur aus Rolli-Fahrer bestanden, war das ein blöder Nebeneffekt.

Nach dem Essen rollte ich zurück ins Zimmer um mich was auszuruhen. Verpeili war auch da, telefonierte. Sie sprach genauso ohne Punkt und Komma oder gar Betonung, wie mit mir und ich fragte mich, wie das auszuhalten war? Mich nervte schon das Zuhören. Ich versuchte es zu ignorieren. Ich las.

So ging der erste Tag ohne große weitere Ereignisse ins Land. Zum Abendessen bekam ich meinen Behandlungsplan. Der schickte mich vom frühen Morgen an durch sämtliche Bereiche der Klinik, Blutabnahme, Physiotherapie, Psychotherapie, Physikalische Therapie, Ergotherapie, Sprachtherapie, Sozialdienst, Essen nicht vergessen! Da kam ja wenigstens keine Langweile auf.




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