Und da waren wir nun


 Ich möchte gerne vorweg nehmen, dass dies keiner der launigen Berichte ist, wie ihr sie von mir kennt. Gut, am Anfang vielleicht noch, aber dann vergeht einem die gute Laune, dem konnte auch ich mich nicht entziehen.
Wer mehr wissen möchte, kann die Links anklicken. Wer überhaupt nichts wissen möchte, liest vielleicht besser nicht weiter.

Wir standen vor dem Konzentrationslager Ausschwitz.
Das Areal besteht aus mehreren Lagern. Ausschwitz 1,  vor dem wir nun angekommen waren, dann gab es Ausschwitz 2, Birkenau, und neben weiteren 50 Außenlagern auch noch das Lager Ausschwitz 3, Monowitz.
https://de.wikipedia.org/wiki/KZ_Auschwitz

Ich hatte meine Vorstellung, wie wohl jeder eine hat, wenn er an Ausschwitz denkt.
Was in meiner Vorstellung nicht stattfand, war, dass ich nicht alleine dort sein werde. Irgendwie sah ich vor meinem inneren Auge Reihen voller Holzbaracken, Gras und sonst nichts. Was ich vom Parkplatz aus sah, war eine Menschenmenge, die sich vor dem Eingang drängelte. Das passte nicht.
War aber irgendwie logisch, so beim zweiten Überlegen. Es ist ein Ort von immensem Interesse. Was auch nicht passte, war die Geschäftigkeit, die um uns herum war. Es war keine besinnliche Stille. Keine Andacht. Und auch Jackson und ich waren weit von Besinnlichkeit und Andacht entfernt. Mir saß die Frage nach einem Klo im Nacken und drückte vor allem auf die Blase. Das musste leider erstmal geklärt werden. Besinnlichkeit hin oder her. Wir kullerten zu den Gebäuden, die einen Shop, den Eingang, die Ausgabestellen der Kopfhörer und auch die Information enthielten. Dort waren auch Toiletten ausgewiesen.  Den Schildern folgend, stellte ich fest, dass sie eine Treppe tiefer waren. Wohl eher keine Behinderten-Toilette. Ich wurde unruhig. Die Zeit ging voran, wir hatten noch keine Ahnung, wo wir uns zu der Führung einfinden sollten und waren auch sonst recht planlos. Lauter Menschen. Überall…
Jackson fragte eine ältere Frau an einem Verkaufsstand, die nach gefühlten 10 Minuten es überhaupt einmal für angebracht hielt, meine Tochter, die brav vor ihrem Stand wartete um ihre Frage loszuwerden, anzusehen. Die wies in eine etwaige Richtung, der wir dann folgten. Wir standen nun wieder draußen. So wurde eine Dame am Einlass gefragt. Die war ein wenig gestresst, ich mittlerweile auch, kam aber rum, um uns durch eine Absperrung zu lassen, die uns in einen anderen Raum führte. Dieser wurde durch Tore, wie im Flughafen-Sicherheitsbereich geschützt. Hier mussten wir unsere Taschen leeren, Handtaschen abgeben und dann durch die Tore gehen/rollen.
Als wir das geschafft hatte, mussten wir auch NUR noch einen Schlüssel holen und da war sie dann. Meine Toilette. Yeah! In der Zeit, wo ich sie besuchte, kümmerte sich Töchterchen um alles was für die Führung nötig war.
Wir bekamen Kopfhörer, die mit einem Empfänger versehen waren, den man auf verschiedene Kanäle einstellen konnten und dann warteten wir auf unseren Guide. Ich verzichte jetzt mal bewusst auf das Wort „Führer“.
Ich glaube, ich spreche für uns beiden, wenn ich sage, dass wir total unter Strom standen. Die Fahrerei, die Unsicherheit, ob wir pünktlich sein würden, die Frage wo wir hinmüssen, all das stresste total. Wir standen nun auf der anderen Seite des Gebäudes, das berühmte Tor der mit der Aufschrift „Arbeit macht frei“ vor uns und fragten uns, wer denn jetzt wohl kommen möge und ob wir hier überhaupt richtig sind. Vielleicht war unsere Gruppe auch schon weg? Nein, war sie nicht. Es starteten drei Gruppen verschiedener Nationalitäten, der deutschsprachige Guide war der letzte, der kam. Er bat uns, unseren Empfänger auf Kanal 2 einzustellen. So hörten wir ihn in unseren Kopfhörern, aber auch alle anderen, die nahe genug bei ihm standen um ihm ins Mikro zu pupsen. Als das auch der letzte geschnallt hatte, wurde es ruhiger und wir gingen los.
Die Wege waren erbärmlich. Kopfsteinpflaster ist nichts dagegen. Jackson schob mich und ich wurde so durchgeschüttelt, dass ich fast aus dem Rolli kippte. Jut, nicht zu ändern.
Was mich weiter verwunderte war, hier, in Ausschwitz 1,  gemauerte Baracken zu sehen. Sie waren auch nicht ebenerdig, wie ich angenommen hatte, sondern es führten immer so zwischen 4-8 Stufen hinauf zum Eingang, die Häuser selber waren auch im Laufe der Zeit aus Platzgründen um ein Stockwerk aufgestockt worden. Oweia…
In meiner Vorstellung gab es nur Holzbaracken. Die gab es tatsächlich, aber in Birkenau. Also Treppen. Spannend.
Nach dem unser Guide einen Überblick über die Menge an inhaftierten und getöteten Menschen gegeben hatte, ging es in die erste Baracke. Er sah mich an und fragte, ob ich etwas gehen könne. Das musste ich verneinen. Unsere Gruppe bestand aus ca. 30 Leuten. Und freundlicherweise fanden sich 4 Männer, die es sich von da an zur Aufgabe machten, mich bei jedem Haus, was wir besichtigten, rauf und wieder runter zu tragen. Nochmal meinen allerherzlichsten Dank!
Im ersten Haus sah man neben Bildern der Inhaftierten auch einen Plan, der einem erst einmal vor Augen führte, wie riesig dieser Komplex war.
Der Guide erklärte eine Menge, das alles wiederzugeben würde den Rahmen sprengen. Wer aber daran interessiert ist, kann die Links anklicken, um weiterführende Informationen zu erhalten. Was ich ganz furchtbar fand, war die Aussage, dass auch aus Griechenland Juden mit Zügen nach Ausschwitz gebracht worden. Es gab ein Model eines Güterzuges, das veranschaulichte, wie die Menschen darin, ich möchte sagen „gestapelt“ wurden. Diese griechischen Menschen waren zwei Wochen in diesem Zug unterwegs, eingepfercht ohne Wasser und Nahrung. Die meisten fielen nach der Öffnung der Waggons tot auf den Platz. Natürlich erging es auch den anderen Häftlingen nicht besser. Ich glaube, es ist fast unerheblich ob man 3, 5, 10 oder 14 Tage so eingepfercht wird. Es ist von Stunde eins an die Hölle.
Wir verließen das erste Haus um gleich in das nächste zu gehen. Runter, rauf. Dankeschön!

Dort war auch die erste Etage Ausstellungsraum. Das konnte ich aber meinen Helfern nicht zumuten.  Ich bin im Rolli recht schwer, das Treppenhaus war eng, die Treppen ausgelatscht. Zuviel Unfallpotential. So blieb ich unten, Jackson ging mit hoch und machte Fotos, während der Empfang noch gut genug war, dass ich hören konnte was der Guide erklärte. Es waren lauter abscheuliche Dinge. Dort war ein Model der Krematorien, die in Birkenau gebaut wurden. Eine Vernichtungsfabrik.
Es waren die abgeschnittenen Haare eines Teils der Inhaftierten zu sehen, sowie die Dosen die mit Zyklon B gefüllt waren.

Der Guide erzählte. Unfassbare Geschichten über Offiziere, die das Zyklon B erstmals im Keller des Blockes 11, dem sogenannten Todesblock,  an 250 Häftlingen „ausprobierten“. Da die Häftlinge nach Stunden nicht gestorben waren, wurde nochmal nachgelegt und die Türe wieder verschlossen. Es gab noch viel mehr Gräueltaten in Block 11, den wir daraufhin besuchten. Auch hier konnte ich nur das EG sehen. Im Keller befanden sich die Dunkelzelle, die Hungerzelle und  Stehzellen. Hier hatten 4 Häftlinge eine Bodenfläche von 90x90cm, umgeben von Mauern, auf denen sie zusammen stehen mussten. Sich legen oder sitzen ging nicht. Sie krochen durch ein Loch am Boden dort rein und mussten die ganze Nacht stehen, morgens zur Zwangsarbeit gehen, abends wieder dort hinein. Das konnte einige Tage, sogar bis zu 6 Wochen so gehen. Wie ein Mensch das so lange durchhält ist mir ein Rätsel. Die Hungerzelle machte ihrem Namen alle Ehre. Dort wurden die Häftlinge zu Tode gehungert. In der Dunkelzelle erstickten sie, weil kaum Sauerstoff zu ihnen durchdrang. Zwischen Block 10 und 11 gab es einen Hof, auf dem die sogenannte schwarze Wand stand. Der Boden war mit Sand aufgeschüttet um das Blut der vor ihr Erschossenen aufzunehmen. Es gab Pfähle, an denen die Häftlinge an ihren auf dem Rücken verschränkten Armen hochgezogen wurden, sodass ihre Schultern ausgekugelt wurden oder gar die Gelenke brachen. https://de.wikipedia.org/wiki/Block_11_(KZ_Auschwitz)
Es reichte nicht, dass diese Menschen so unmenschlich wie nur möglich inhaftiert waren, nein, sie mussten noch mehr gequält werden. Unfassbar, nicht zu verstehen.
Neben Block 11 gab es weitere Blocks, die ebensolchen Horror verbreiteten.

In Block 10 trieb Josef Mengele sein Unwesen an Kindern. https://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Mengele

In Block 20 wurden Häftlingen eine Phenolspritze direkt ins Herz gestochen um sie zu töten http://www.tenhumbergreinhard.de/taeter-und-mitlaeufer/dokumente/auschwitz-block-20.html

Block 24 war ein Lagerbordell, wo inhaftierte Frauen zur Prostitution gezwungen wurden https://de.wikipedia.org/wiki/Lagerbordell

Ein Haus neben dem anderen und jedes voller Horror. Es war unglaublich, was sich kranke Hirne dort alles ausgedacht haben.
Wir liefen/holperten die Lagerstraße entlang, hörten unserem Guide zu und versuchten, es aufzunehmen, zu verstehen haben wir schon sehr schnell nicht mehr versucht.
Und das war nur Ausschwitz 1.
Birkenau wurde als nächstes angefahren…


Und mir wurde klar, dass ich bis hier gar nicht gekommen wäre. Ein Rollstuhlfahrer? Der wurde schon weit vorher erschossen.





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