Nahtod-Erfahrung


Das Ergebnis der Biopsien und somit auch der Bericht des Krankenhauses wurden nach mehrmaliger Nachfrage und ebenso mehrmaligem Vertrösten dann am 20.11. meiner Hausärztin gefaxt.  
Der psychopathologische Befund hat mir am besten gefallen. „Die Patientin ist wach,…, im Kontakt freundlich zugewandt,… Distanziert sich glaubhaft von akuter Suizidalität.“ Schön, oder? „Freundlich zugewandt“ sind Hunde auch. Bestenfalls. Meiner jetzt nicht so, aber o.k., dafür war ich es ja. Der Bericht gliederte sich in all die verschiedenen Abteilungen, die mich untersucht hatten.

Er reichte über drei Din A4 Seiten und sagte doch nichts aus. Außer, dass ich ein „postpunktielles Syndrom“ hatte. Oja! Das hatte ich. Schädel hoch 10. Ansonsten war ich auf links gedreht worden, aber es gab keine Erklärung für meinen Schlappfuss. Aber immerhin die Empfehlung, ich möge mir eine Pereneus-Schiene anpassen lassen. Diese Schiene kann man sich vorstellen, wie eine Einlegesohle, an der eine Halterung befestigt ist, die mit Klettband am Unterschenkel befestigt wird. Diese Konstruktion verhindert, dass Schlappfuss schlappt. Durch die feste Sohle bleibt er in der waagerechten wenn man das Bein hebt um einen Schritt zu machen, es stört kein Zeh mehr, mit dem man am Boden hängen bleibt. Diese Schiene war eine echte Hilfe. Sie begleitete mich bis zu dem Moment, wo ich keine Schiene mehr brauchte, weil ich in den Rollstuhl umgestiegen bin. Darin stört auch kein Schlappfuss mehr.

Das einzige was der Bericht noch ansprach, war die Möglichkeit, dass es sich um eine spinale Muskelatrophie handeln könnte. Sie schrieben, dafür spräche der langsame Verlauf. Mein Neurologe meinte hingegen, der Verlauf sei zu schnell für eine spinale Muskelatrophie.
Ich ging nach wie vor zur Physiotherapie, machte auch im Kraftraum des Reha-Zentrums an den Geräten meine Übungen. Aber es wurde immer weniger, was ich mit dem linken Bein stemmen konnte. Ich drehte die Gewichte immer mehr zurück. Laufen ging noch, aber nicht gut.
Aus dem Grund habe ich mir Walking-Stöcke gekauft. Hiermit, so dachte ich, habe ich beim Gehen mehr Halt. Stimmte soweit auch.
Dennoch habe ich mich in eine verzwickte Situation gebracht. Ich konnte nach wie vor Auto fahren. Den Gedanken, das Klapprad, mit dem ich im Umkreis von zuhause unterwegs war, auch mit dem Auto mitzunehmen, musste ich verwerfen, weil mir Kraft und Standfestigkeit fehlten, es alleine ins Auto zu bekommen. So packte ich meine Walkingstöcke ein und fuhr mit Cindy in ein riesiges Feldgebiet, wo sie sehr gerne herumstromerte. Als wir losfuhren, wurde es schon ein wenig dunkel, es sah nach Regen aus. Machte aber nichts, ich hatte Goretex-Schuhe und Regenjacke. Wir also los. Ich mit meinen Walkingstöcken. Es wurde nun doch sehr dunkel, fette Wolken zogen auf, Wind kam auf. Es war nicht kalt, aber frisch. Merke: Die Entfernung, die du zurück legst musst du auch wieder zurücklegen, wenn du zu Deinem Auto möchtest.

Ich stand mitten im Feld als ein Unwetter allererster Güte losbrach. Ich musste mich regelrecht gegen den Wind stemmen und war bis auf die Knochen nass, weil es wie aus Eimern goss. Cindy klappte alles ein was ging ein und schlich geduckt neben mir her, immer mal mit einem fragenden Blick zu mir, der reichlich verzweifelt aussah. War ich auch. Ich hatte kaum noch Kraft und der Weg zurück war echt noch weit. Ich stemmte mich auf die Stöcke, ging Schritt für Schritt weiter. Einmal stolperte ich und kam zu Fall. Ich landete auf meinen Knien und es war eine sehr große Anstrengung wieder aufzustehen. In dem Moment habe ich wirklich gedacht, dass es sicherlich möglich wäre hier auf diesem Feld zu verenden. Ich hätte in dem Unwetter noch nicht mal mein Handy aus der Tasche friemeln können. Keine Chance. Keine Menschenseele weit und breit. Ich habe mich zwingen müssen einen Fuß vor den anderen zu setzen. Denn was wäre die Alternative gewesen? Als ich auf die befestigte Straße kam, die aus dem Feld zum Parkplatz führte, hätte ich heulen können vor Glück. Aber es waren noch einige hundert Meter. Doch ich habe es geschafft. Klamotten, die ich auswringen konnte, und ein Hund, mit dem ich selbiges hätte tun können. War das eine Kacke. Ich war heilfroh in meinem Auto zu sitzen, das hinter mich gebracht zu haben. Das war auch das letzte Mal, dass ich zu Fuß in diesem Feld war.

Zuhause habe ich dann ein wenig lapidar erzählt, dass ich in das Unwetter gekommen war und an Hand meiner Kleidung war das jedem auch klar. Aber dass es so haarscharf an einer gefährlichen Situation vorbei geschrammt war, habe ich nicht weiter ausgeführt. Das liest Family jetzt grade. *zähneknirsch* Fett sorry. Is ja nix passiert.




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